am 25.04.2024 - 09:09 Uhr
Dass über Jahrzehnte der Energieaufwand für große Zweckbauten wie Schulen, Krankenhäuser, Büro und Verwaltungsgebäude, Supermärkte oder Lagerhallen wie in einem schwarzen Loch verschwand, wollte Christian Wild nicht akzeptieren. Um Licht ins Dunkel zu bringen, gründete er deshalb mit 28 Jahren in Idar-Oberstein die ICONAG, ein Softwareunternehmen für herstellerneutrale Gebäudeleittechnik und Energiemanagement, das sich zudem als Wegbereiter der Digitalisierung im technischen Gebäudemanagement verstand.
Mit seiner Software B-CON (abgeleitet von Building Control) senkt Wild seit nunmehr gut 25 Jahren den Energiebedarf von großen Gebäuden und erhöht die Effizienz der Betriebsführung im technischen Gebäudemanagement. „Wenn wir Gebäude besser führen, eröffnet das ein Energieeinsparpotenzial von durchschnittlich 30 Prozent“, sagt er. Als Beispiel für eklatante Energieverschwendung nennt er Sitzungssäle, die gleichzeitig beheizt und gekühlt werden, weil beide Vorgänge nicht gegeneinander verriegelt sind, wie es im Fachjargon heißt. Oder es wurden teure Systeme für die Wärmerückgewinnung in Gebäuden installiert, die allerdings nie in Betrieb genommen wurden. In anderen Fällen werden große Räume auf 20 Grad vorgeheizt, weil 100 Besucher erwartet werden. „Dabei wird vergessen, dass jeder Mensch durch seine Körperwärme selbst mit etwa 100 Watt heizt. Dies entspricht bei 100 Personen einer Heizkraft von 10 000 Watt. Es würde also völlig ausreichen, den Raum nur mit 17, statt mit 20 Grad zu heizen“, rechnet Wild vor. Eine Faustregel besagt, dass eine Einsparung von einem Grad bei der Gebäudebeheizung den Energieaufwand um rund sechs Prozent reduziert. Hier spielt ein kluges Gebäudemanagement seine Stärken aus. Es ermöglicht, auf die Automationsstationen zuzugreifen, die zahlreiche sogenannte Datenpunkte rückmelden und somit eine Art Status-quo-Bericht liefern.
Der Automatisierungsexperte verdeutlicht den Stand der Dinge anhand einer fünfstufigen Pyramide. „Die erste Stufe umfasst die Grundlagen wie Technologieoffenheit und IT-Vernetzung. Diese Phase haben wir bereits erreicht. Auf Stufe zwei geht es darum, die Daten, die wir erhalten, zu verstehen. Bei Gebäuden, die zwanzig Jahre oder älter sind, ist das eine echte Herausforderung. Daran arbeiten wir derzeit“, erläutert Wild. Vor ihm liegen noch die Stufen drei (Echtzeitempfehlungen an die Gebäudetechnik), Stufe vier (eine weitgehende Automatisierung) und Stufe fünf (die Prozesssteuerung durch künstliche Intelligenz). An die mühsamen Anfänge, alle an den Gebäuden beteiligten Gewerke zu mehr Offenheit und Transparenz zu bewegen und die Kommunikation untereinander herzustellen, erinnert sich Wild noch gut. Aber der Erfolg gibt ihm recht. In mehr als 10 000 Objekten weltweit kontrolliert und koordiniert B-CON mittlerweile die Gebäudeautomationsprozesse wie das Energiemonitoring, das Zeitplanmanagement oder das Alarm- und Ereignismanagement. Je besser einzelne Gebäude oder ganze Gebäudeportfolios vernetzt sind und die unterschiedlichen digitalen Systeme – zum Beispiel für die Temperaturmessung, die Störerfassung oder die Zählerablesung – interagieren, desto höher ist die Energieeinsparung und entsprechend geringer der CO2-Ausstoß.
„Die Technologie, um offene Schnittstellen für eine solche Form der Kommunikation im Gebäudemanagement zu schaffen, war früh da. Aber das Beharrungsvermögen, sich als Gewerk eher nicht für diese Kommunikation zu öffnen, war anfänglich groß“, sagt Wild. Dass sich diese offenen Schnittstellen dann doch durchsetzen konnten, war nicht zuletzt dem Druck der Betreiber großer Immobilienportfolios zu verdanken, die das Einsparpotenzial erkannten. Eine ähnliche Dynamik erwartet Wild von den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), die zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Für große Zweckbauten mit einer thermischen Leistung von mehr als 290 Kilowatt wird dann ein funktionierendes Gebäudemanagement mit offenen Schnittstellen und einem dafür geschulten Personal Pflicht. „Es ist von großer Bedeutung, die Chancen von Technologien zu erkennen und sie für die aktuellen Herausforderungen nutzbar zu machen. Dafür ist der richtige Mix aus Ingenieuren und Praktikern immens wichtig“, sagt Wild. Er stützt sich dabei auf Ingenieure der Elektrotechnik, der Versorgungstechnik und auf Informatiker für das Softwareengineering. Dazu kommen Elektriker, Heizungsbauer und Fachinformatiker. „Es verschwimmen derzeit die Grenzen“, so Wild. „Der Ingenieurbegriff ist heute weiter gefasst als die klassische Hochschulausbildung. Durch die freie Verfügbarkeit von Informationen ist die Kompetenz der Praktiker stark gewachsen. Viele arbeiten heute ähnlich wie Ingenieure.“
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