am 19.08.2024 - 09:46 Uhr
Anforderungen aufgrund direkter Formulierungen im Gesetzestext
Im eigentlichen Gesetzestext des Gebäudeenergiegesetzes GEG 2024 sind mehre Anforderungen an die Gebäudeautomation (GA) aufgeführt. Wesentlich dabei ist der Abschnitt „§ 71a Gebäudeautomation“, der wiederum im Abschnitt „Anforderungen an eine Heizungsanlage“ eingeordnet ist. Die Anforderungen haben Konsequenzen für die Praxis.
§ 71a „Gebäudeautomation“
Nichtwohngebäude im Bestand mit einer Heizung oder Klimaanlage von mehr als 290 kW Nennleistung müssen bis Ende 2024 mit einer Energieüberwachungstechnik ausgestattet werden, die Daten über eine gängige und frei konfigurierbare Schnittstelle zu einem Energiemanagementsystem zur Verfügung stellt. Ebenso muss ein „System für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung“ eingeführt werden. Der Gesetzestext lässt leider Interpretationsspielraum zu, ob damit der „Automatisierungsgrad B“ gemäß DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden - Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung - Teil 11: Gebäudeautomation“ (09/2018) gefordert oder eine GA-Funktionalität anderweitig nachzuweisen ist (siehe späterer Abschnitt „Juristische Interpretationen“).
Nichtwohngebäude im Bestand mit einem bestehenden GA-System des Automatisierungsgrads B oder besser müssen bis Ende 2024 die Fähigkeit zur herstellerübergreifenden Kommunikation nachweisen.
Neu zu errichtende Nichtwohngebäude müssen mit einem GA-System des Automatisierungsgrads B oder besser ausgestattet sein. In dieser Beziehung ist juristisch interpretierbar, ob dies für alle Nichtwohngebäude oder eben auch nur für die großen (Nennleistung der Heizungs-/Klimaanlage > 290 kW) gilt (siehe ebenso späterer Abschnitt zu den juristischen Interpretationen).
Für betroffene Gebäude gilt zusätzlich:
- Die Inbetriebnahme muss eine Heiz- beziehungsweise Kühlperiode umfassen.
- Es muss sichergestellt werden, dass eine Kommunikation zwischen den gebäudetechnischen Systemen und den Anwendungen auch bei unterschiedlichen herstellereigenen Technologien und Geräten möglich ist.
Mit diesem Paragraphen 71a werden erhebliche Anforderungen an die Gebäudeautomation gestellt. Zum einen müssen die betroffenen Gebäude den Automatisierungsgrad B oder besser (gemäß DIN V 18599 Teil 11) erreichen. Die daraus resultierenden Anforderungen werden später näher behandelt.
Interessant ist die Forderung, dass die Inbetriebnahme einer Automation für die Heizung beziehungsweise Kühlung eine (ganze) Betriebsperiode umfassen muss. Es ist somit nicht ausreichend, eine Inbetriebnahme der Automation für die Heizung im Sommer und die der Kühlung im Winter vorzunehmen. Zudem schließt das eine punktuelle Inbetriebnahme aus, zum Beispiel innerhalb eines Tages oder einer Woche.
Ergänzend ist die Forderung nach hersteller- und technologieübergreifender Kommunikation aller (!) gebäudetechnischer Systeme und Anwendungen als wesentlich einzustufen. Dies erfordert den Einsatz von standardisierten Protokollen - und dies nicht nur extern, sondern auch intern zwischen den Systemen und Anwendungen!
Hinzu kommt, dass es für die betroffenen Gebäude mit Heiz/Kühlleistungen über 290 kW bis Ende 2024 eine Nachrüstpflicht für Energieüberwachungstechnik gibt. [Erklärung: Wie später erläutert „wollte“ das BMWK bei Bestandsgebäuden nur die Nachrüstpflicht für EÜD – nicht aber GA. Wenn man es darauf reduziert, sind die Anforderung sehr wohl umsetzbar]
§ 60b „Prüfung und Optimierung älterer Heizungsanlagen“ (Absätze (1) und (2))
In diesem Paragraphen geht es um die Prüfung der Urlaubsabsenkung und die Anwesenheitssteuerung bei Heizungsanlagen, sofern die Wärmeerzeugung nicht über Wärmepumpen erfolgt.
Zunächst gilt diese Anforderung für Wohngebäude mit mehr als sechs Wohneinheiten beziehungsweise Nichtwohngebäuden mit mehr als sechs selbständigen Nutzereinheiten. Die Anforderung schreibt vor, dass ab dem 15. Betriebsjahr nach Errichtung der Anlage eine Heizungsprüfung und -optimierung stattfinden muss. Außerdem ist die Urlaubsabsenkung und Anwesenheitssteuerung Teil der Prüfung. Bei Anlagen, die vor dem 1. Oktober 2009 aufgestellt wurden, muss diese Prüfung bis zum 30. September 2027 stattgefunden haben. Wenn eine Prüfung durchgeführt werden muss, genügt eine einmalige Prüfung.
Im Gesetzestext ist zunächst nur eine Prüfung und nicht zwangsweise die Existenz einer Urlaubsabsenkung gefordert. Bei den betroffenen Gebäuden ist von einer gemischten Nutzung durch unterschiedliche Parteien auszugehen. Somit ist es unwahrscheinlich, dass sich nutzbare Urlaubs- oder individuelle Abwesenheitszeiten, wie sie über eine Raumautomation erfasst werden könnten, für die zentrale Wärmeerzeugung ergeben. Die Prüfungen könnten zeigen, dass es aus Effizienzsicht genügt, eine Nacht- beziehungsweise Sommerabschaltung durchzuführen. Diese Anforderungen lassen sich jedoch in der Steuerung des Wärmeerzeugers hinterlegen und ergeben keine Anforderungen an die übergreifende Gebäude- beziehungsweise Raumautomation.
§ 60b „Prüfung und Optimierung älterer Heizungsanlagen“ (Absätze (7) und (8))
Dieser Paragraph enthält den Entfall der Verpflichtung zur Heizungsprüfung bei Heizungsanlagen bei Existenz eines standardisierten GA-Systems nach § 71 a.
Die zuvor in § 60b aufgenommene Heizungsprüfung und -optimierung kann bei Vorhandensein eines GA-Systems entfallen, sofern dieses im Wesentlichen den Automatisierungsgrad B oder besser nach DIN V 18599 Teil 11 entspricht und standardisierte Protokolle verwendet. Sofern diese Ausnahme von der Verpflichtung in Anspruch genommen wird, sind Projektunterlagen in überprüfbarer Form vorzulegen.
Selbst wenn ein entsprechendes GA-System vorliegt, erscheint es sinnvoll, die Heizungsanlage trotzdem zu prüfen und einer Optimierung zu unterziehen. Immerhin geht es um eine einmalige Prüfung, und das nach einer Betriebszeit von mehr als 15 Jahren. Es ist somit fraglich, ob dieser Verpflichtungsentfall genutzt werden sollte beziehungsweise genutzt wird.
§ 74 „Energetische Inspektion – Betreiberpflicht“ (Absatz 3)
Hier geht es um den Entfall der Verpflichtung zur Inspektion von Klimaanlagen bei Existenz eines standardisierten GA-Systems nach § 71a.
Der § 74 regelt Inspektionsverpflichtungen von Klimaanlagen mit mehr als 12 kW Leistung; diese unterliegen einem Inspektionsintervall von zehn Jahren. Die Inspektionen können bei Vorhandensein eines GA-Systems entfallen, sofern dieses dem Automatisierungsgrad B oder besser gemäß DIN V 18599 Teil 11 entspricht und standardisierte Protokolle verwendet.
Dabei wird auf § 71a (5) verwiesen. Dieser Paragraph existiert nicht mehr, da er inzwischen in den Absatz (2) verschoben wurde („Energieüberwachungstechnik“).
Selbst wenn ein entsprechendes GA-System vorliegt, erscheint es sinnvoll, die Klimaanlage trotzdem zu prüfen und einer Inspektion alle zehn Jahre zu unterziehen. Es ist somit fraglich, ob dieser Verpflichtungsentfall genutzt werden sollte beziehungsweise genutzt wird.
Anforderungen aufgrund des Automatisierungsgrads
Die Automatisierungsgrade sind in der DIN V 18599 Teil 11 definiert und im Folgenden dargestellt. Dabei erfolgt dies mit Fokus auf Nichtwohngebäude sowie auf genau die Anforderungen, für die ein Automatisierungsgrad B oder A angegeben ist.
In den folgenden Grafiken sind die Automationsanforderungen für unterschiedliche Gewerke aufgeführt (Heizung, Kühlung, Raumlufttechnik, Beleuchtung/Verschattung und Technisches Gebäudemanagement). Ob zur gesetzlichen Erfüllung die Aspekte aller Gewerke beziehungsweise alle Fragen eines Gewerks erfüllt sein müssen, wird später behandelt. An dieser Stelle liegt der Fokus zunächst darauf, was unter dem „Automatisierungsgrad B oder besser“ gemäß DIN V 18599 Teil 11 zu verstehen ist.
Quelle: Prof. Krödel auf Basis DIN V 18599-11:2019
Um dem Gesetz zu genügen, müssen alle in den Grafiken aufgeführten Anforderungen erfüllt werden. Einzelne Anforderungen dürfen dann ausgelassen werden, wenn „der Planer hinreichend begründen kann, dass die Anwendung einer Funktion in einem bestimmten Fall keinen Nutzen bringt.“ Diese Ausnahme ist nicht in der DIN V 18599 Teil 11 beschrieben, sondern in der DIN EN 15232 „Energieeffizienz von Gebäuden - Teil 1: Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ (12/2017), auf die sich die DIN V 18599 bezieht. Sollten entsprechende Ausnahmen genutzt werden, ist es wichtig, diese nicht pauschal, sondern konkret nachprüfbar zu formulieren.
Juristische Interpretationen
Aspekt 1: Anforderung „Automatisierungsgrad B oder besser“ für Bestandsgebäude?
Gesetze sollten klar und eindeutig sein. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigen die vielen vor Gericht ausgetragenen Streitfälle. Zu den juristisch unklaren Aspekten des GEG liegt eine Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vor. Leider beginnt diese mit der Klarstellung, dass die Stellungnahme nicht rechtsverbindlich ist und lediglich zur Orientierung dienen kann. Die Stellungnahme des BMWK zeigt somit, was „gewünscht“ beziehungsweise „gemeint“ war und es ergibt sich die Vermutung, dass die juristisch interpretierbaren Anforderungen seitens der Behörden nicht kontrolliert und geahndet werden. Ganz sicher ist das jedoch nicht, und es bleibt auch das Risiko, dass der Bauherr beziehungsweise der Auftraggeber einer Neubaumaßnahme oder Renovierung zu einer juristisch interpretierbaren Anforderung eine kostenfreie Nacherfüllung einklagt. Dieses Risiko sollte insbesondere von Planern beachtet werden!
Um die Anforderungen trotzdem „greifen“ zu können, wird im Folgenden zum einen in die unstrittigen und zum anderen in die juristisch interpretierbaren Anforderungen unterteilt; damit kann zumindest in eine „Untergrenze“ und eine „Obergrenze“ der Anforderungen unterschieden werden. Dabei weist der Autor an dieser Stelle vorsorglich darauf hin, dass diese Darstellung nach bestem Wissen und Gewissen und somit ohne jegliche Haftung erfolgt.
Aspekt 2: Übersicht über die Anforderungen
Die folgende Tabelle zeigt die Übersicht der Anforderungen. Ein Haken steht für eine eindeutige zu erfüllende Anforderung. Die Fragezeichen sind dort hinterlegt, wo sich juristischer Interpretationsspielraum ergibt. Dort, wo ein Schrägstrich eingetragen ist, bestehen keine Anforderungen.
Bestands-Nichtwohngebäude:
Sofern in einem Bestandsgebäude die Nennleistung der Heizungs-/Klimaanlage den Wert von 290 kW nicht überschreitet, sind keine Anforderungen zu beachten. Sollte dieser Schwellwert überschritten werden, ist auf jeden Fall eine Energieüberwachungstechnik inklusive Datenaustausch über firmen- und herstellerunabhängige Schnittstellen zu gewährleisten. Unklar ist, ob dann auch der „Automatisierungsgrad B oder besser“ umgesetzt werden muss.
Laut Verständnis des BMWK ist das nicht der Fall. Leider beginnt die Stellungnahme des BMWK damit, dass das nur als „Verständnis“ und „Orientierung“ gesehen werden und vor Gericht womöglich anders beurteilt werden kann. Eine belastbare und rechtssichere Aussage klingt anders. In Konsequenz sollte man sich insbesondere bei Renovierungen und Umbauten an diesem Automatisierungsgrad weitgehend orientieren beziehungsweise im Zweifelsfall sich über einen Energieberater oder Planer bestätigen lassen, warum die Einführung der jeweiligen Automatisierungsfunktionen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Neubau-Nichtwohngebäude:
Sofern bei einem neu zu errichtenden Gebäude die Nennleistung der Heizungs-/Klimaanlage den Wert von 290 kW überschreitet, sind eindeutig der Automatisierungsgrad B sowie die system- und herstellerübergreife Kommunikation zwischen allen gebäudetechnischen Systemen und Anwendungen zu gewährleisten.
Sollte dieser Schwellwert unterschritten werden, stellt sich die Frage, ob die aufgeführten Anforderungen auch gelten. Gemäß juristischen Bewertungen zu der exakten Formulierung im Gesetz gilt das ebenso. Das Verständnis des BMWK ist allerdings ein anderes: dass der Automatisierungsgrad nur für die „großen“ Neubau-Nichtwohngebäude gilt. Wie erwähnt, beginnt die Stellungnahme des BMWK damit, dass das nur als „Verständnis“ und „Orientierung“ gesehen werden und vor Gericht womöglich anders beurteilt werden kann. Auch hier empfiehlt sich in Summe die Orientierung an den Vorgaben, sofern man nicht schriftlich dokumentieren kann, warum eine Anwendung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Umfang der Anforderungen an den „Automatisierungsgrad B oder besser“
Sofern der „Automatisierungsgrad B oder besser“ gemäß DIN V 18599 Teil 11 umgesetzt werden muss, stellt sich die Frage, für welche Gewerke und in welchem Umfang dies zu gewährleisten ist. Unstrittig ist zunächst, dass das Gewerk der Heizung betroffen ist und im Falle einer Klimaanlage > 290 kW auch das Gewerk der Kühlung betroffen ist.
Juristisch unklar ist aber, ob die Automatisierungsanforderungen auch die weiteren Gewerke (Raumlufttechnik, Beleuchtung/Verschattung und Technisches Gebäudemanagement) betreffen. Das Verständnis des BMWK dazu ist, dass bei Anforderung an den „Automatisierungsgrad B oder besser“ tatsächlich alle Gewerke betroffen sind! Wenn man bedenkt, was dies bedeutet (präsenzbasierte Dimm-Funktion der Beleuchtung in jedem Raum; Lamellennachführung bei Jalousien in jedem Raum) drängt sich die Frage auf, ob sich der Gesetzgeber über die Konsequenzen sowie die Sinnhaftigkeit dieser Forderungen und Maßnahmen in der Praxis bewusst ist.
Sollten tatsächlich alle Gewerke den „Automatisierungsgrad B oder besser“ erfüllen müssen, bleibt noch die Anwendung von Ausnahmen. Zum einen ist in der DIN V 18599 Teil 11 aufgeführt:
„Wenn der Einfluss einer Automatisierungsfunktion weniger als 5 Prozent Anteil am Gesamtenergiebedarf besitzt, ist diese Funktion nicht bestimmend für die Einordnung des Gesamtautomationsgrades“.
Dies bedeutet, dass man eine Automatisierungsfunktion übergehen darf, wenn man eine entsprechend nachvollziehbare und nachprüfbare Berechnung erstellen kann. Wichtig hierbei ist, dass dies über Berechnungen eines Fachplaners oder Energieberaters erfolgen sollte – eine Berechnung über die Anwendung einer Energieausweis-Software ist nicht ausreichend (da diese den Einfluss der Gebäudeautomation nicht korrekt berücksichtigt!). Sollten entsprechende Ausnahmen genutzt werden, ist es wichtig, diese nicht pauschal, sondern konkret nachprüfbar zu formulieren.
Fazit:
Insbesondere für die Gebäudeautomation im Gewerk der Heizung und Kühlung sind im GEG 2024 erhebliche Anforderungen enthalten. Aufgrund mehrerer juristisch unklarer Formulierungen können diese in unstrittige und in juristisch interpretierbare Forderungen unterteilt werden. Für alle Forderungen gilt jedoch, dass man sie nicht ignorieren, sondern sich damit befassen sollte.
Für die Umsetzung der Vorgaben verweist der Autor abschließend auf die Software B-CON der ICONAG-Leittechnik GmbH in Idar-Oberstein: „In Bezug auf die Anforderungen die Energieüberwachungstechnik und die übergeordneten Steuerungsfunktionen sehe ich das B-CON-System als geeignet an, diese vollumfänglich umzusetzen.“
Dr. Michael Krödel ist Professor für Gebäudeautomation und -technik an der Technischen Hochschule Rosenheim sowie Geschäftsführer des Instituts für Gebäudetechnologie. Zudem ist er eingetragener Energieberater („dena Energieeffizienz-Experte“), Mitglied im VDI Richtlinienausschuss zur VDI 3814 (Gebäudeautomation), der Jury für den Award der SmartHome-Initiative sowie im wissenschaftlichen Beirat des Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker-Bundesverband e.V. (GIH).
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