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BACtwin: Chance für klimaneutrale Gebäude, Green Deal und Kreislaufwirtschaft

am 07.03.2023 - 14:11 Uhr

BACtwin: Chance für klimaneutrale Gebäude, Green Deal und Kreislaufwirtschaft

Das Fachmagazin CCI berichtet in einer Serie über die verschiedenen Vorträge von Branchenexperten zu der Thematik BACnet. Teil 2 beinhaltet den Fachvortrag von Prof. Dr. Rupert Fritzenwallner

BACtwin ist der digtäle Zwilling der Gebäudeautomation. Als dessen zentraler Baustein hat sich die GA-Funktionsliste gemäß Weltnorm 150 16484 Teil 3 Systeme der Gebäudeautomation (GA) - Funktionen” 2005) etabliert. Sie Liegt im Excel-Format vor und ist in der Branche akzeptiert. Die Vorteile der Digitalisierung und Standardisierung kommen indes nur zum Tragen, wenn Skaleneffekte genutzt und Medienbrüche im Prozess vermieden werden. So können mit wesentlich geringeren Investitionen als mit der Dämmung des Gebäudes, dem Tausch der Fenster oder ähnlichen Maßnahmen erhebliche Einsparungen erzielt werden.

Eine Organisation, die den BACtwin mittlerweile seit mehr als fünf Jahren erfolgreich einsetzt ist das Österreichische Bundesheer (ÖBH) - insbesondere, um die Ziele der Klimaneutralen Gebäudebewirtschaftung, des Green Deals und der Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union umzusetzen.

Mehr dazu im Gastbeitrag von Prof. Rupert Fitzenwallner, der auf einer BACnet-Fachtagung der ICONAG-Leittechnik GmbH in Idar-Oberstein, im Sommer 2022 darüber berichtet hat, welche Möglichkeiten der digitale Zwilling BACtwin in Kombination mit der Nutzung des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT), Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) und einem professionellen Energiemanagementsystem zur Umsetzung der Energiewende bietet.

Skaleneffekte nutzen, Medienbrüche vermeiden

Eine Organisation, die den BACtwin mittlerweile seit mehr als fünf Jahren erfolgreich einsetzt, ist das Österreichische Bundesheer (ÖBH) – insbesondere, um die Ziele der klimaneutralen Gebäudebewirtschaftung, des Green Deals und der Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union umzusetzen. Für die gewählten BACnet-Objekte wurden vom ÖBH klare Vorgaben über die zu verwendenden Properties (Eigenschaften und Informationen) gemacht. Das Ergebnis ist eine nach links um die strukturierte Objektbenennung erweiterte GA-Funktionsliste. Nach rechts wurde die GA-Funktionsliste um die vorgegebenen BACnet Properties erweitert.

Abbildung: Digitaler Zwilling der GA mit BACnet.

Die Vorteile der Digitalisierung und Standardisierung kommen indes nur zum Tragen, wenn Skaleneffekte genutzt und Medienbrüche im Prozess vermieden werden. Dadurch, dass gleiche Bauteile mit BACnet einheitlich umgesetzt werden, ersparen sich Nutzer die doppelte Planung, das Engineering und insbesondere der Betrieb der Systeme werden einfacher. Vereinfacht könnte man von „Serienanfertigung“ sprechen, nicht jede Pumpe wird unterschiedlich umgesetzt.

Betreibt eine Organisation mehrere Immobilien, erstellt ein Planer mehrere Planungen oder realisiert ein Integrator mehrere Gebäudeautomationssysteme, ist das interoperable Kommunikationsprotokoll „Building Automation and Control Networks“ (BACnet) unverzichtbar. BACnet existiert seit 25 Jahren als Kommunikationsstandard und hat weltweit eine hohe Marktverbreitung und Reife (Revision 21) erlangt. Mit dem BACtwin sollen die Vorteile der Digitalisierung für Planung, Engineering und Betrieb genutzt werden, wobei der organisatorische Teil der ISO 16484 Teil 3 noch immer in der ersten Version von vor fast 20 Jahren vorliegt.

Mammutaufgabe für Politik und Wirtschaft

Zur Veranschaulichung des Themas hier einige Zahlen: Trotz vieler Maßnahmen zur Energieeinsparung ist der Energieverbrauch in Österreich seit 2005 konstant geblieben. Das österreichische Regierungsprogramm sieht nun vor, dass die jährlich als Heizenergie aufgewendeten 98,5 TWh bis 2040 aus CO2-neutralen Energiequellen stammen müssen. Dies bedeutet eine Mammutaufgabe für Politik und Wirtschaft, die nur durch Digitalisierung wirtschaftlich umsetzbar ist.

Durch die Digitalisierung der Gebäudeautomation können mit wesentlich geringeren Investitionen als mit der Dämmung des Gebäudes, dem Tausch der Fenster oder ähnlichen Maßnahmen erhebliche Einsparungen erzielt werden. Mit diesen sofort erzielten Einsparungen kann dann zusätzlich gedämmt werden. Durch die Digitalisierung wird ferner das Nutzerverhalten transparent - und das ermöglicht, die sicherlich effizientesten und effektivsten Maßnahmen in der Wärmewende zu erschließen. Interoperable Digitalisierung führt nicht zuletzt dazu, dass die notwendigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt verfügbar sind. Auch das Gebäude der Zukunft muss den Bedarf des Nutzers abdecken. Nur wenn der aktuelle Bedarf konkretisiert durch Informationen durch den BACtwin gesteuert werden kann, wird der Nutzer sich im Gebäude wohlfühlen und energieeffizient agieren.

Interoperable Lösung umsetzen

Das Österreichische Bundesheer hat diese Herausforderung schon vor fast einem Jahrzehnt angenommen und in einem offenen Prozess mit der Branche eine interoperable Lösung erarbeitet. Um die Medienbrüche zwischen Bauherrenvorgaben, Planungsoutput, Engineering und Betrieb weitgehend zu eliminieren, wurde durch das ÖBH das Konzept des BACtwin entwickelt, das seit mehr als fünf Jahren in den Liegenschaften umgesetzt wird. Zusätzlich wurden ein Prüftool, ein Umsetzungsleitfaden und eine GA-Bibliothek für den BACtwin erstellt.

Noch im Sommer 2023 wird ein „aufgebohrter“ BACtwin in Deutschland über ein AMEV- Regelwerk (Arbeitsgemeinschaft öffentlicher Auftraggeber) für öffentliche Bauten veröffentlicht. Danach wird der BACtwin in das Standardleistungsbuch für das Bauwesen einfließen. Da
manche Teile der GA-Industrie noch nicht wissen, wie sie sich zum BACtwin verhalten wollen, wird es jedoch noch eine Weile dauern, bis die Lücke in den GA-Weltnormen geschlossen wird.

Ferner wurden vom ÖBH Elemente des Gebäudeautomationssystems wie Aggregate (Motoren, Ventilatoren) und Anlagen vereinheitlicht, sodass diese über den gesamten Gebäudelebenszyklus - von der Planung über die Realisierung bis in den Betrieb - digital ohne Medienbrüche umgesetzt werden können. Die Nutzung der durch das ÖBH injizierten einheitlichen GA-Bibliothek unterstützt die Realisierung des Green Deals und der Kreislaufwirtschaft unter Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten für die Liegenschaften des Österreichischen Bundesheeres.

Fazit

Durch den BACtwin wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, strukturierte Gebäudedaten automatisiert zu prüfen und Skaleneffekte zu nutzen. Strukturierte Daten sind die Voraussetzung, um den CO2-Fußabdruck zu verringern. Durch die GA-Bibliothek für den BACtwin ohne proprietäre Elemente kann ohne großen Vorlauf eine Standardisierung der Planungs-, Engineering- und Betriebsprozesse zur Umsetzung von CO2- und Kosteneinsparungen realisiert werden.

Durch das Thema CO2-Besteuerung und die geplante Sanierungspflicht für Bestandsgebäude geht es immer mehr darum, die effektivsten Maßnahmen zuerst zu setzen. Diesbezüglich ist die Digitalisierung der Gebäudeautomation unverzichtbar. Was aber nützt die beste Gebäudeautomation, wenn keine aktuellen Eingangsdaten vorliegen?

Das Internet der Dinge (Internet of Things, loT) und Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) bieten neue Möglichkeiten, um aufbauend auf dem Nutzerverhalten die relevanten Informationen „just in time“ zu nutzen, um die Ziele der Energiewende umzusetzen. Nur durch die integrierte, auf Standards basierende Nutzung der drei IT-Services

 

wird es gelingen, die Ziele des Green Deals und der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, ohne auf die Errungenschaften des modernen Wohnungswesens verzichten zu müssen.

Empfehlungen des Autors

Auch bei IoT und LoRaWAN geht es darum, die erforderlichen Informationen interoperabel auslesen zu können. Daher ist die erste Frage an potenzielle Partner: „Welche Informationen - im BACnet Jargon Properties - benötigen Sie?“ Wenn ein Anbieter die Payload (während einer
Kommunikation zwischen zwei Partnern transportierte Daten eines Datenpakets, die keine Steuer- oder Protokollinformationen enthalten) nicht offenlegen und keinen geeigneten Parser (Computerprogramm, das für die Zerlegung und Umwandlung einer Eingabe in ein für die
Weiterverarbeitung geeigneteres Format zuständig ist) bereitstellen will, beenden Sie das Gespräch und suchen seriöse Anbieter, die Ihnen Transparenz über die eigenen Daten sicherstellen.

Im Digitalisierungszeitalter müssen Sie gewährleisten, dass Sie Zugriff auf Ihre eigenen Daten haben und sich nicht in Abhängigkeiten von Sensoranbietern begeben. So wie Sie sich im BACnet für eine „interoperable MBE“ entscheiden, sollten Sie sich bei LoRaWAN für einen
interoperablen LoRaWAN-Netzwerkserver entscheiden.

Als Vertreter einer militärischen Organisation sind On Premises Lösungen ein „MUSS“ und Cloud Lösungen ein „No-Go“.

Da Menschen und deren Bedarfe im Mittelpunkt stehen, diese nicht auf die Errungenschaften verzichten wollen und trotzdem die Dekarbonisierung umzusetzen ist, führt an der Digitalisierung im Immobilienwesen kein Weg vorbei.

Bauherren sollten daher interoperable Lösungen für die Automationsstationen (AS) und die Management- und Bedieneinrichtung (MBE) fordern und sich nicht mit vordergründigen Argumenten von proprietären Ansätzen überzeugen lassen. Proprietärer Lösungen machen
abhängig von einzelnen Herstellern - und das ist immer mit höheren Kosten verbunden.

BACtwin-Artikelserie auf Basis einer ICONAG-Fachtagung

Dieser Artikel ist der zweite Beitrag einer Serie über den BACtwin. Er basiert auf einem Vortrag von Prof. Dr. Rupert Fritzenwallner auf einer BACnet-Fachtagung der ICONAG-Leittechnik GmbH, Idar-Oberstein, im Sommer 2022. Dort berichtete er darüber, welche Möglichkeiten der digitale Zwilling BACtwin in Kombination mit der Nutzung des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT), Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN) und einem professionellen Energiemanagementsystem zur Umsetzung der Energiewende bietet.

Im dritten Teil geht es darum Engineeringkosten durch selbstkonfigurierende Management- und Bedieneinrichtungen auf Basis des BACtwin zu senken. Autor dieses Anfang Mai folgenden Beitrags ist Christian Wild, Geschäftsführer der ICONAG-Leittechnik GmbH.

*Autor: Prof. Dr. Rupert Fritzenwallner ist Leiter der Abteilung Bauwesen Applikationen in der Direktion IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) und Cyber beim Österreichischen Bundesheer (ÖBH). Als Bauinformatiker blickt er auf 45 Jahre Berufserfahrung zurück. Mehr als 30 Jahre war er Mitglied im Österreichischen Normungsinstitut. Gemeinsam mit Hans Kranz ist Rupert Fritzenwallner Autor des Fachbuches „Der digitale Zwilling der Gebäudeautomation mit BACnet“. Aktuell arbeitet er daran, mit dem Projekt BACtwin in Verbindung mit dem Internet der Dinge (IoT) Energiemanagementsysteme zu entwickeln, mit denen man das Waste Management entsprechend der EU-Vorgaben bis zum Jahr 2030 optimieren und die Recyclingquoten erhöhen kann. Er ist Autor von mehr als 20 Büchern zum Thema Digitalisierung im Bau- und Immobilienbereich.

»Im Rahmen der Fachtagung „Zukunftssicheres technisches Gebäudemanagement mit BACnet - Der Digitale Zwilling der Gebäudeautomation (BACtwin)“ im Sommer 2022 im Gutenberg Digital Hub in Mainz, tauschten sich verschiedene Fachleute und Betreiber großer Immobilienportfolios hierzu aus.

Aufgrund der Wichtigkeit des Themas und des großen Interesses haben wir uns entschlossen, die Veranstaltung in diesem Jahr in Form eines kostenlosen Online Seminares zu wiederholen.«

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